Ein starkes Team: Sozialarbeiterin Karolina Kujoth und Therapiehund Mango

Seine braunen Augen schauen einen neugierig und treuherzig an. In seinem Maul trägt Mango eine kleine Stoffente, mit der er gerne spielt. Sehr begeistert, mit einem lauten Grunzen und Quieken, geht er auf die jungen Bewohner der Prof. Dr. Eggers-Stiftung zu. Mango ist ein ganz besonderer Hund. Der braune Labrador ist ein geschulter Therapiehund und zusammen mit seiner Besitzerin und Therapeutin Karolina Kujoth ein eingespieltes Team.

Die junge Sozialarbeiterin arbeitet schon lange mit Menschen zusammen, die an einer psychischen Erkrankung oder Abhängigkeit leiden. Seit Oktober 2021 ist sie im Haus Trialog tätig. Ihren Hund Mango hat sie immer an ihrer Seite, Tag und Nacht.

Frau Kujoth, was ist das Besondere an Mango?

Karolina Kujoth: Mango ist ein aktivierender Hund. Gerade bei Menschen mit depressiven Episoden und schizophrenen Erkrankungen hilft Mango den Patienten, sich zunächst zu spüren, zu erden und schließlich zu aktivieren. Er ist trotz seiner dynamischen Art sehr sensibel und nimmt Stimmungen auf und zeigt mir diese an. Gerade bei Menschen, die eher zurückhaltend und misstrauisch sind, insbesondere wenn diese Patienten schlechte Erfahrungen gemacht haben, dient Mango oftmals als Brückenbauer und Türöffner. Mango ist er sehr arbeitswillig und hat viel Spaß im Kontakt mit Menschen.

Wie erkennt Mango, in welcher Stimmung der Jugendliche gerade ist?

Karolina Kujoth: Hunde haben die gleiche Emotionsebene wie Menschen, man spricht auch von der grundlegend gleichen Affektskala. Sie kennen auch Trauer, Freude und Glück. Dabei sind sie sehr emphatisch und spüren, wie es dem Gegenüber geht. Der Hund ist quasi ein Spiegel unserer Emotionen. Das Gute ist, dass Hunde den Menschen nicht bewerten. Sie nehmen jeden so an wie er ist, ohne ihn zu stigmatisieren.
Mango nähert sich vorsichtig oder verspielt den Jugendlichen, läuft durch die Beine und lässt sich streicheln. Das Laufen durch die Beine gilt bei Mango als ein Vertrauensvorschuss. Er ist bei Fremden auch manchmal ängstlich und zeigt dadurch aber: Hey, ich habe zwar ein bisschen Angst, vertraue dir aber total.

Was löst diese erste Annäherung bei Betroffenen aus?

Karolina Kujoth: In der tiergestützten Therapie wird zum Beispiel durch das Streicheln des Hundes das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, welches im Gehirn produziert wird. Man spricht auch von dem Bindungshormon, das bereits im Geburtsprozess freigesetzt wird. Dabei handelt es sich nicht nur um ein „Kuschelhormon“, das beim Menschen Vertrauen stärkt und soziale Beziehungen fördert, sondern es hilft auch das Stresshormon Cortisol abzubauen, was wiederum bei Aggressionen und Phobien entsteht. Die tiergestützte Therapie beinhaltet aber noch mehr, es geht zum Beispiel um Vermittlung von Selbstwirksamkeit, Aufbau von Selbstbewusstsein, Aktivierung der Versorgerrolle, Übernahme von Verantwortung, bedingungslose und unvoreingenommene, wertfreie Begegnung, sozial akzeptierter Körperkontakt und vieles mehr.

Reagieren alle Betroffenen positiv auf Mango?

Karolina Kujoth: Es gibt Menschen, die freuen sich riesig auf Mango, haben großes Interesse an der Arbeit mit ihm und sind dankbar für seine quirlige Art. Wiederum gibt es Menschen, die Angst oder Phobien vor Hunden haben. Wenn das Interesse trotzdem bei ihnen besteht, können wir schrittweise arbeiten, um ein Vertrauensverhältnis wieder aufzubauen. Hier bedarf es viel Zeit und Geduld, es ist aber möglich. Wir akzeptieren grundsätzlich alle Entscheidungen, auch wenn jemand gar kein Interesse hat.

Wie wird Mango bei der Prof. Dr. Eggers-Stiftung eingesetzt, gibt es feste Termine?

Karolina Kujoth: Mango hat unregelmäßige Gassi-Dates mit Jugendlichen. In der Vergangenheit hatte Mango bei einem Jugendlichen mit psychotischen Symptomen einige Einsätze. Hier ging es um verschiedene Übungen wie Alltagsbewältigung, Realitätsprüfungen, Gedächtnistraining, Raum- und Lageorientierung. Aktuell hat Mango wöchentliche Treffen mit einer Jugendlichen, die an einer mittelgradigen Depression leidet. Mit ihr arbeitet er gerade an ihrer Selbstwirksamkeit, Aufbau von Selbstbewusstsein und Strukturierung vom Alltag.

Sind Sie immer dabei oder gehen Betroffene auch alleine mit Mango spazieren?

Karolina Kujoth: Therapeutische Einsätze werden immer begleitet. Leider wird fälschlicherweise oft suggeriert, dass der Hund alleine als Therapeut fungiert. Wir arbeiten immer trialogisch, das heißt, der Jugendliche, Mango und ich agieren gemeinsam. Es gibt jedoch auch die freie Intervention, in der der Patient und der Hund sich eigenständig miteinander beschäftigen.

Können Sie beschreiben, wie die Arbeit mit den Jugendlichen konkret aussieht?

Karolina Kujoth: Weil wir Menschen alle so besonders und unterschiedlich sind, wird jeder Einsatz, jede therapeutische Intervention individuell auf die Bedürfnisse und im Hinblick auf die Förderziele der Jugendlichen angepasst und geplant. Für manche Menschen sind die Reize von außen bzw. draußen zum Beispiel aufgrund von sozialen Phobien oder Psychosen zu stark, sodass wir die Räumlichkeiten der Einrichtung für unsere Arbeit nutzen. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass Interventionen in der Natur oft mehr, physischen als auch psychischen, Freiraum bieten, sodass wir häufig in den Schellenberger Wald fahren. Dort gibt es eine abgelegene Wiese, die wir für einen Agility-Parcour, also Mobilisierung und Aktivierung des Körpers und kognitive Auslastung nutzen, oder mal für das Longieren. Dabei handelt es sich um eine Übung für die Wahrnehmung von Körperbewusstsein und Sprache. Manchmal wird Mango auch für ein entlastendes Gespräch genutzt.

Menschen mit Depressionen sind oft antriebslos. Wie gelingt es Ihnen, die Jugendlichen zu motivieren?

Karolina Kujoth: Menschen, die unter Depressionen leiden, fehlt oft eine sinnstiftende Tätigkeit. Im Umgang mit einem Hund kommen sie automatisch in eine Versorgerrolle. Der Hund muss raus, also gehe ich mit dem Hund raus. Dies ist auch bei den Betroffenen der Fall.

Wie lange dauert es, bis die Therapie abgeschlossen ist?

Karolina Kujoth: Das lässt sich pauschal nicht sagen. Es kommt immer auf die individuelle Situation an. Manchmal ist die Arbeit nach einem halben Jahr beendet und der Betroffene auf einem guten Weg, manchmal endet die Therapie nie und es bedarf immer wieder an Unterstützung. Da gibt es keine Befristung. Tiergestützte Therapie wird immer begleitend angeboten. Für die Jugendlichen besteht die Möglichkeit, für die Dauer ihres Aufenthaltes in der Einrichtung, meistens so bis zu zwei Jahren, das therapeutische Angebot zu nutzen.

Frau Kujoth, verraten Sie am Ende noch, welche spezielle Ausbildung Sie haben?

Karolina Kujoth: Mango und ich haben am Münsteraner Institut für Therapeutische Fortbildung und tiergestützte Therapie (MITTT) die Ausbildung nach der Steinfurter Pädagogik/-­Therapiebegleithund-Methode zum Therapiebegleithund-Team absolviert. Ich bin zudem Mitglied beim Therapiebegleithunde Deutschland e.V., da ich eine zertifizierte Ausbildung habe. Wir arbeiten nach Leitlinien des Therapiebegleithunde Deutschland e.V. Mango muss sich alle drei Monate einem Gesundheits-Check-up beim Tierarzt unterziehen. Außerdem legen wir zur Qualitätsüberprüfung alle zwei Jahre eine Nachprüfung bzw. Rezertifizierung ab.

Vielen Dank für das Gespräch!