Psychische Erkrankungen sollten kein Tabuthema mehr sein.
Professor Dr. Jochen Werner ist seit 2015 Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen. Im Interview verrät der Mediziner, warum er es wichtig findet, die Prof. Dr. Eggers-Stiftung zu unterstützen.
Psychatrische Erkrankungen sind ein wirkliches Problem, das noch nicht ausreichend in der Gesellschaft aufgefangen wird.
Herr Professor Dr. Werner, vor welchen Problemen stehen aus Ihrer Sicht Jugendliche mit psychischen Erkrankungen?
Jede Form einer Erkrankung belastet die Betroffenen, die Patienten, nicht selten aber auch die Familien. Ein Mechanismus zur Bewältigung ist die Kommunikation, die Kommunikation mit Verwandten, mit Freunden und Vertrauten. Dieser Mechanismus greift jedoch nicht immer. Krebsdiagnosen werfen in der Geschäftswelt nicht selten die Frage auf, wie lange die erkrankte Person wohl ausfalle, mitunter sogar, ob die Existenz der Firma infolge der Erkrankung gefährdet sein könne. Noch schwieriger können solche Gespräche im Falle von psychisch Er-krankten sein. Die betroffene Person spricht darüber meist sehr ungern, für die Familie gilt oftmals das Gleiche. Diese Situation, sich als Patient oder als Familie mit manchmal sogar niemandem austauschen zu dürfen, ist extrem belastend. Dies gilt ganz besonders für Kinder und Jugendliche, wollen sich doch viele in der heutigen, auf Perfektion ausgerichteten Gesellschaft keine Blöße geben. Diesem Problem muss mit einer deutlich stärkeren Aufklärung über psychische Erkrankungen begegnet werden.
Warum ist die Prof. Dr. Eggers-Stiftung eine wichtige Institution in Essen?
Weil eben Professor Doktor Eggers seine berufliche Passion in die Öffentlichkeit getragen hat, glücklicherweise im Herzen des Ruhrgebiets, in Essen, also dort, wo es eine öffentliche Wahrnehmung größeren Ausmaßes gibt. Mit meiner Familie leben wir nun knapp fünf Jahre in Essen, ich kann mich nicht erinnern, ob es drei oder fünf Monate waren, von da an erfuhr ich immer wieder und immer mehr, von dessen unglaublich bewundernswerten Aktivitäten, eben durch alle Bevölkerungsgruppen hindurch.
Was ist das Besondere an der Stiftung?
Professor Eggers hat diese Initiative gestartet, als Person und eben nicht als Gruppierung. Professor Eggers hat andere überzeugt, immer und immer wieder, persönlich und das neben seinem enorm belastenden und aufreibenden Berufsleben.
Viele Bereiche in der Medizin und Forschung sind auf finanzielle Unterstützung durch Spenden angewiesen. Die Bereitschaft, für psychisch erkrankte Jugendliche zu spenden ist oft gering. Kennen Sie diese Erfahrung?
Ja, wenn man das über die Jahre verfolgt, ist es wirklich kein großes Problem, Spenden einzusammeln für Kinder, die an Krebs erkrankt sind oder für Kinder, die an schweren Herzerkrankungen leiden. Das ist auch alles wichtig und soll nicht falsch verstanden werden! Aber worüber man eben kaum spricht, das sind Kinder und Jugendliche, die psychisch krank sind. Das wird totgeschwiegen, das will eigentlich keiner in der Familie haben. Aber, es kann jede Familie treffen, das muss einem klar sein. Und, wenn es dann passiert, verändert sich die ganze Welt und zwar für die gesamte Familie.
Das ist richtig und es ist wirklich belastend für die ganze Familie. Erschreckend ist aber auch, dass die psychischen Erkrankungen bei jungen Menschen stark zugenommen haben. Sehen Sie das auch so?
Ja, das ist der nächste Punkt. Auf der einen Seite, ein wirkliches Problem, das noch nicht ausreichend in der Gesellschaft aufgefangen wird. Deswegen ist es wichtig, dass es Einrichtungen wie die Prof. Dr. Eggers-Stiftung gibt, die sich für die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen einsetzten. Für diesen Einsatz möchte ich wirklich werben. Jeder sollte den Blick auch mal auf die, ich nenne es jetzt mal ‚Randgruppe‘ legen, denn eigentlich ist es gar nicht so selten, dass Kinder und Jugendliche psychisch erkranken oder eben an Psychosen leiden. Ich finde die Initiative der Prof. Dr. Eggers-Stiftung sehr gut und das muss man einfach unterstützen. Spenden sollen nicht irgendeiner anderen Organisation etwas nehmen, sondern anderen auch etwas geben. Das ist sehr wichtig.
Wünschen Sie sich mehr Akzeptanz in der Gesellschaft für Kinder und Jugendliche mit psychische Erkrankungen?
Natürlich! Dies ist der einzige Weg, um den Betroffenen und ihren Familien zu helfen. Das bedeutet, nur intensivste Informationskampagnen zu psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen können eine Besserung der aktuellen, mehr als unbefriedigenden Situation, bewirken.
Wie kann dies erreicht werden?
Nur durch eine professionelle Medienarbeit, durch Einbindung und Unterstützung prominenter Persönlichkeiten. So funktioniert die Gesellschaft immer noch. Ein gutes Beispiel aus dem Gebiet ist die immer noch junge Initiative Yeswecan!cer, quasi eine Tinder-Plattform für Krebskranke. Das Beispiel zeigt, heutzutage darf der Phantasie keine Grenzen gesetzt werden, um bedürftige Randgruppen unserer Gesellschaft zu unterstützen.