Die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben erhalten

Unternehmerin Heike Kracht engagiert sich für benachteiligte Kinder und Jugendliche

Unbeschwert aufwachsen, zur Schule gehen, Freunde treffen, in den Urlaub fahren. Was in unserer Gesellschaft eigentlich selbstverständlich sein sollte, bleibt vielen Kindern und Jugendlichen verwehrt.

Die Gründe sind vielfältig, manchmal scheitert es an finanziellen Mitteln, mal an gesundheitlichen Beschwerden oder Diskriminierung. Die Essener Unternehmerin engagiert sich seit Jahren für benachteiligte Kinder und hat zu diesem Zweck eine eigene Stiftung gegründet. Zur Prof. Dr. Eggers-Stiftung hat Heike Kracht einen besonderen Bezug. Deshalb unterstützt sie die Einrichtung erneut mit einer großzügigen Spende.

Frau Kracht, wann sind Sie zum ersten Mal auf die Prof. Dr. Eggers-Stiftung aufmerksam geworden?

In den Jahren 2013 und 2014 habe ich ehrenamtlich ein Projekt an der Volkshochschule Essen im Fachbereich Schulische Weiterbildung betreut. Ich war damals für den Berufsdienst des Rotary Clubs Essen-Centennial verantwortlich. Das Engagement von Rotary wurde auf die Lehrgänge der Eggers-Stiftung ausgeweitet, die das Ziel verfolgen, an Schizophrenie erkrankten jungen Erwachsenen einen Schulabschluss zu ermöglichen. Im Rahmen dieses Projektes habe ich unter anderem einige Unterrichtsstunden mitgestaltet, in denen es um Fragen ging wie zum Beispiel: Wie gehe ich mit der Erkrankung im Lebenslauf und im Bewerbungsprozess um?
In meiner über 20-jährigen Tätigkeit im Management und anschließend als Business Coach sind mir natürlich Lebensläufe begegnet, die Besonderheiten aufwiesen. Ich hatte also Vorerfahrung – aber keine pauschalen Antworten! Die Diskussion mit den jungen Menschen um den individuell „besten Weg“ empfand ich als sehr bereichernd. Überhaupt empfand ich den Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern sehr bereichernd.

Wie ist der Kontakt zur Prof. Dr. Eggers-Stiftung entstanden?

Als Vertreterin von Rotary war ich bei der Zeugnisübergabe und der feierlichen Verabschiedung des jeweiligen Jahrgangs in der VHS dabei. Dort begegnete ich Herrn Professor Eggers erstmals. Später traf ich ihn dann im Stiftungsnetzwerk der Stadt Essen wieder. Es waren immer ganz besondere Begegnungen für mich. Ich habe oft die Gelegenheit genutzt, von diesem großartigen Mann Empfehlungen und Impulse für den Umgang mit jungen Menschen, die ein Handicap haben, aus erster Hand zu erhalten. Es war für mich bewundernswert, dass er trotz seiner sichtlich zunehmenden gesundheitlichen Beschwerden unermüdlich für seine Stiftung unterwegs war und sich in diese Netzwerktreffen begab.

Sie haben die Prof. Dr. Eggers-Stiftung vor kurzem erneut mit einer großzügigen Spende unterstützt. Warum liegt Ihnen die Einrichtung so am Herzen?

Ich möchte das Wirken von Professor Dr. Eggers wie auch derjenigen, die seine Arbeit fortsetzen, weiterhin unterstützen. Benachteiligte oder beeinträchtigte Menschen sollen die Chance bekommen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und ihre Entscheidungen selbst zu treffen. Die Stiftung leistet Großartiges. Psychische Erkrankungen waren früher ein Tabu. Mittlerweile wird darüber gesprochen, aber immer noch zögerlich. Hat sich in der Gesellschaft Ihrer Meinung nach im Umgang mit der Krankheit genug getan oder bedarf es noch mehr Aufklärungsarbeit? Es ist noch viel mehr Aufklärung notwendig. Im beruflichen Umfeld und auch im privaten. Es geht auch mir noch oft so, dass ich zunächst unsicher bin, wie ich einem Menschen mit psychischer Erkrankung begegnen soll. Falls ich überhaupt davon weiß! Meist erfahren wir es erst im Laufe der Bekanntschaft, was viele dann erst recht verunsichert und hemmt. Zu körperlichen Erkrankungen haben wir Strategien für den Umgang damit entwickelt: Rücksicht nehmen, wenn es der andere wünscht; fragen, was geht oder nicht geht. Wir könnten alle genauso selbstverständlich mit Erkrankungen der Psyche umgehen: Warum fragen wir unser Gegenüber nicht einfach, welche Rücksichten wir nehmen sollen, falls wir das überhaupt müssen? Ich vermisse nach wie vor eine Art Selbstverständlichkeit im Umgang mit besonderen Menschen. Und ich glaube, das war auch das Anliegen von Professor Eggers: mehr Akzeptanz, mehr Selbstverständlichkeit, mehr Selbstsicherheit im Umgang miteinander.

Sie haben 2014 Ihre eigene Stiftung, die Heike-Kracht-Stiftung, gegründet. Welche Projekte fördert Ihre Stiftung und was treibt Sie an?

Die Heike-Kracht-Stiftung widmet sich der Förderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher und hat einen regionalen Förderschwerpunkt im Ruhrgebiet. Es war mir immer ein Anliegen, Kinder und Jugendliche zu unterstützen, die aufgrund ihrer Lebensumstände wenig bis keine Möglichkeiten haben, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Etwa einen Beruf zu erlernen und auszuüben. Kultur und Sport zu genießen. Sich in die Gesellschaft mit ihren individuellen Fähigkeiten einzubringen, indem sie ihre Talente erschließen. Als geborene Essenerin liegt mir natürlich ein Engagement hier in unserer Stadt am Herzen. So ist es dadurch auch möglich, die von mir geförderten Organisationen, beteiligte Personen und die Projekte persönlich kennenzulernen.

Benachteiligte Kinder sind Ihnen besonders wichtig. Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?

Bildung ist ein, wenn nicht sogar der Schlüssel zu dem selbstbestimmten Leben, von dem ich gesprochen habe. Das ist kein neuer Gedanke, aber in meinen Augen kann es nicht oft genug hervorgehoben werden: Bildung eröffnet Chancen. Wer keinen Zugang zu Bildung hat, bleibt in unserer Gesellschaft chancenlos, ist abgehängt und bleibt außen vor. Dabei hat jeder Mensch das Recht auf Bildung. Ich wünsche mir, dass unsere Gesellschaft dies in der Zukunft stärker beherzigt und hier für eine größere Chancengerechtigkeit sorgt. Wir können davon nur profitieren, weil es uns Potentiale erschließt. Aber wenn wir es nicht tun, wird sich auch dies auf die Struktur unserer Gesellschaft, auf unser aller Zusammenleben und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft auswirken.